DAS FILET DER FICHTE
Die Villa Susegg aus dem Jahr 1906 ist nicht denkmalgeschützt, die Architektur ist nicht typisch örtlich, Fassade und Details sind dem ländlichen Baustil des süddeutschen Raumes entnommen.
Die Architektur des Gebäudes bildet jedoch zusammen mit den angrenzenden Villen und den Villen von Trotz das kollektive Gedächtnis einer vergangenen Epoche. Sie zeugen von den touristischen Anfängen auf dem Hochplateau und den internationalen Gästen und zeitweiligen Bewohnern der Gegend in ihren Villen und Sommerresidenzen.
Nähert man sich dem Haus, kann man nicht erkennen, dass an diesem Haus ein Eingriff vorgenommen wurde.
Ein Vergleich der Bilder der Straßenansicht von Google Earth, die noch den Zustand vor dem Umbau zeigen, mit dem jetzigen Aussehen geben keinen Hinweis. Sorgfältig wurde das Äußere in der Ausdehnung fast auf den Zentimeter gleichbleibend auf den Stand der Zeit gebracht. Der Dachstuhl wurde ausgewechselt, die Fenster der Gauben neu gesetzt und einmal für eine kleine Terrasse offen gelassen. Zum Schluss wieder mit der dunklen Farbe gestrichen.
Einen kleinen Hinweis auf eine Veränderung könnten die Fenster im Dachgeschoss geben. Die Gläser sind mit sichtbarem, weißem Kitt in alter Tradition befestigt.
In diesem Teil des Hauses wurde der Dachraum verwendet, um eine präzis auf die Konstruktionsgeometrie Rücksicht nehmende Wohnung einzurichten - ein sich in Höhe, Flächen, Helligkeit und Ausblicken veränderndes Raumkontinuum von ca. 130 m².
Die Schlafräume sind in die Ecken verschoben. Hier wird eng unter dem Dach geschlafen.
Die Tagesräume sind mit unterschiedlichen Ausrichtungen (Wald, Dorf und Berge) und (Sonnen-)lichtsituationen angeordnet, drinnen und draußen mit wenigen Möbeln an den richtigen Stellen eingerichtet – ein Ort zum Verweilen.
Die sich ergebenden Zwischenräume werden als Stauräume hinter den Wänden genützt.
Der Eindruck dieses in sich stimmigen Ortes wird wesentlich von der aus dem Holz der sägerauh belassenen Fichte bestimmt. Die vom Tischer eingebauten Böden, Wände, Decken und die meisten Möbel sind aus diesem Material.
In dieser Schatulle aus hellem Holz ist im Badezimmer der Stein aus heimischem, schwarzem Basalt eingefasst.
Diese Haltung zu Raum, Material, Handwerk sowie zur Geschichte des Ortes und Hauses ergeben eine feine, geborgene Wohnung unter dem Dach im Villenviertel von Seis am Schlern - lebendiger Ensembleschutz.
Text von Werner Burtscher - September 2015 |